Di.. Apr. 22nd, 2025

Debatte


Zum Aufruf und zum gesellschaftlichen, politischen Umfeld des 80. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus gibt es Diskussionsbedarf. Hier ist sein Platz.


Frieden geht nur mit und nicht gegen Russland!

Liebe Freunde,

zum 80. Jahrestag der Befreiung der Völker Europas vom Faschismus gibt das deutsche Außenministerium unter Frau Baerbock der 

Staatsgewalt ein Mittel in die Hand, um Menschen der Nationen der Befreier von der Teilnahme auszuschließen.

27.000.000 Sowjetbürger wurden in dem Krieg durch deutsche Waffen getötet! Die faschistische Politik der verbrannten Erde hat in Russland nichts übrig gelassen, so glaubten die Faschisten, was einen Wiederaufbau ermöglicht oder nur die Ernährung sichert. Die hungernden Völker der Sowjetunion haben ihre Gegner, die Menschen in Deutschland mit Lebensmitteln versorgt. Sie haben ihr Land aufgebaut und die Hoffnungen ihrer Gegner zunichte gemacht. Sie haben der nuklearen Bedrohung getrotzt und aus eigener Kraft ein Gleichgewicht des Schreckens hergestellt, welches die NATO-Pläne der atomaren Zerstörung der Sowjetunion beendete.

Die Sowjetunion hat mit den ersten Raketen im Weltraum Achtungszeichen gesetzt und erneuten Plänen Einhalt geboten.

Russland hat mit der Hyperschalltechnik erneut ein Achtungszeichen gesetzt und wie bei ihrem militärischen Vorsprung mit den ersten Weltraumraketen diesenVorsprung nicht genutzt, um den Gegner anzugreifen. 

Inzwischen berichten US- und britische Medien, dass ihnen auch ein Start einer Hyperschallrakete gelungen sei.

Frieden geht nur mit und nicht gegen Russland!

Mit der wissenschaftlichen Konferenz des OKV e.V. “Frieden mit Russland” ging es uns genau darum deutlich zu machen, ein Besiegen, ein Niederringen, ein Zerstören Russlands ist weder im Interesse der Menschen weltweit noch ist es möglich. Diese von ewig gestrigen Ostlandrittern und deren Nachkommen aus Gier und Hass vertretene Idee führt zum Untergang der Zivilisation auf der Erde. Es handelt sich um realen Selbstmord.

Diese Erkenntnis sollte Freunde Russlands mit all denen einen, die vernunftgeprägt erkennen, nur gemeinsam, nur im Miteinander hat die Menschheit eine Zukunft. 

Ein Ausladen russischer Bürger zu diesem wichtigen Gedenken ist nicht nur ein völkerrechtlicher Verstoß. Es ist das was es von den Planern sein soll – ein Affront gegen Russland, dem sich der deutsche Bürger unterwerfen soll, es ist ein Stück des Weges zum “Kriegstüchtig-Machen” gegen Russland, es ist in meinen Augen Volksverhetzung.

Deshalb begrüße ich den Appell und unterzeichne ihn gern.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Bonatz

Vizepräsident des OKV


Zur Rolle Frankreichs hat sich Anfang Januar eine Diskussion zwischen Wolfgang Göhring aus Bonn und Werner Ruf, Kassel, entzündet. Wir dokumentieren ihren Briefwechsel:


Wolfgang Göhring, 10.01.2025:

Gleich zu Beginn des Aufrufs heißt es zur Befreiung: “von der Roten Armee (…) und von den Truppen Großbritanniens und der USA”

Mon dieu! Einige Stichworte:

Wo ist Frankreich? Die Selbstbefreiung von Paris? (UZ oder jw berichteten zum 80. Jahrestag.) Die Resistance? Zb. war das SS-Massaker von Oradour sur Glâne eine Antwort auf mehrere heftige Angriffe der Résistance. Calw wurde von französischen Truppen (15.4.45) befreit. (… ihr Hauptmann befahl: ›Sofort abfahren‹. Denn er hatte erfahren, dass die französischen Panzer von Altburg kommend Calw besetzen. https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.calw-als-der-krieg-halb-stammheim-vernichtete.a327bd5a-74f3-482b-b541-3a64e1fd7fd1.html) Usw.

Die Angelsachsen möchten die französische Rolle kleinmachen, da waren wohl zuviele Kommunisten dabei, und de Gaulle hatte keine Hemmungen mit dem PCF zusammen zu arbeiten, anders als der Kommunistenfresser Churchill. Das französische Kolonialreich war Konkurrent des britischen: Imperialistische Macht gegen eine andere.

In der 2. Spalte oben im Azfruf heißt es zwar “unter den allierten Siegermächten”, aber dass Frankreich dazu zu zählen ist, taucht im Text nicht auf. Wikipedia schreibt zur Konferenz von Jalta: “Nach der Teheran-Konferenz (28. November bis zum 1. Dezember 1943) hatte sich die militärische und politische Lage verändert. Während in Europa mit dem Vormarsch der US-amerikanischen, britischen und französischen Truppen im Westen und der Roten Armee im Osten der Krieg so gut wie gewonnen war, … Aus der britischen und der amerikanischen Besatzungszone sollte ein Gebiet herausgenommen werden, das durch französische Streitkräfte besetzt werden sollte. Über seine Größe sollte Frankreich konsultiert werden und die Entscheidung von den Amerikanern und Briten getroffen werden.”

Ich würde gerne unterschreiben, aber bei dieser – leider – geschichtsvergessenen Auslassung schmerzt es mich.

Ich bitte euch dringend, das abzuändern, denn auch andern dürfte das auffallen.

Werner Ruf, 11.01.2025

Im Prinzip gebe ich Wolf Göhring recht.

Allerdings sollte bemerkt werden, dass die französischen Truppen in Baden nahezu ausschließlich aus in den nordafrikanischen Kolonien zwangsrekrutierten Soldaten bestanden – ich habe das noch selbst erlebt. Das eröffnet noch ein in der französischen Geschichtsschreibung kaum berührtes Kapitel, das dann ebenfalls thematisiert werden müsste. Die Kämpfer der Résistance verblieben jenseits des Rheins.

Was also tun?

Wolf Göhring, 11.01.2025

Lieber Werner Ruf,

es gab sicherlich auch “europäische” Soldaten in der französischen Armee. Wenn es Zwangsrekrutierte waren, so erscheint es mir umso wichtiger, deren Opfer als französische Soldaten bei der Befreiung vom deutschen Faschismus (als einer besonderen Form des imperialismus) nicht zu verschweigen. Die Briten hatten Soldaten ihrer indischen Kolonie in ihren Reihen; die farbigen Soldaten der USA waren zu hause der Rassendiskriminierung unterworfen und halfen gleichwohl, die fürchterliche Rassendiskriminierung in Deutschland zu überwinden. Zudem hatte Frankreich im Mutterland eine nazi-hörige Regierung und war bis zur Invasion besetzt. De Gaulle konnte zunächst nur Kolonialtruppen heranführen, da er sich in den Jahren zuvor (teils gegen britischen Widerstand) der Loyalität der entsprechenden Offiziere versichert hatte, was keineswegs selbstverständlich war.

Im Aufruf kann derlei nicht thematisiert und noch viel weniger detailliert gegeneinander abgewogen werden. Entscheidend ist, dass der deutsche Faschismus zerschlagen wurde und für weite Regionen eine Perspektive freier Entwicklungen geschaffen wurde. (Ben Bella war, so weit ich mich erinnere, französischer Offizier und reklamierte für Algerien die gleichen Freiheiten, für die er gegen Deutschland gekämpft hatte.)

Ich fände es gut, wenn trotz der vielen Erstunterzeichner (und mit deren Zustimmung) in dem Eingangssatz neben der Roten Armee, den britischen und US-Truppen auch die französischen aufgezählt werden als nüchterne Feststellung und ohne jede Wertung. Gerade gegenüber dem Nachbarn Frankreich sind wir Deutsche es schuldig!

Ich bin in Sichtweite der Spicherer Höhen, einem Schlachtfeld im August 1870 großgeworden. Ein Urgroßvater, Ostpreuße, und ein Stief-Ururgroßvater, Schlesier, wurden dort verwundet. Die mündlichen Erzählungen ihrer nachkommen, die sie persönlich kannten, sind mir noch geläufig.

Werner Ruf, 11.01.2025

Lieber Wolf Göhring,

ja, es gab auch französische Soldaten. Das waren in der Regel Offiziere. Nachdem die besetzten Städtchen und Dörfer zunächst zur Plünderung freigegeben waren, kamen sie im Jeep, um ‘”die Ordnung” wieder herzustellen: Wahllos wurden einige “Soldaten” herausgegriffen, öffentlich ausgepeitscht. Es gab auch Erschießungen. Die Soldaten wußten das im Voraus, sie wußten nur nicht, wer als Sündenbock herausgegriffen würde …

Ben Bella war kein Offizier. Er erhielt mehrere Tapferkeitsauszeichnungen, eine davon in Monte Casino von de Gaulle persönlich. Lesen und Schreiben lernte er später im französischen Gefängnis. Dorthin kam er nach der ersten Entführung eines zivilen Flugzeugs (das waren nicht die Palästinenser): Die Frz. Armee entführte ein marokkanisches Zivilflugzeug auf dem Flug von Rabat nach Kairo und zwang es zur Landung in Algier, in dem er mit anderen Führern des Befreiungskriegs saß.

Ja, Großbritannien rekrutierte rd 500.000 “Inder”. Beide Armeen waren von stukturellem Rassismus geprägt. Das Los der Nordafrikaner, “Senegalesen”, “Inder” hatte weniger mit dem Kampf gegen den Faschismus zu tun als mit der Beschaffung von Kanonenfutter.

Dennoch sollten Frankreich und die zwangsrekrutierten Kolonialsoldaten erwähnt werden.

Ob es dem Westen wirklich um den Kampf gegen den Faschismus ging oder ob der Krieg eher eine inter-imperialistische Auseinandersetzung war, müssen die Historiker immer noch klären …

Christiane Reymann, 12.01.2025

Lieber Wolf, lieber Werner,

danke für die interessante Debatte, die, wie es scheint, eine Korrektur unseres Aufrufs erfordert. Ich möchte gern, dass sie auf unserer website veröffentlicht wird, auch genau in dieser Briefform. Seid Ihr damit einverstanden?